Robin Hoffmann: mit Flöte die Treppe herabsteigend
Short Description / Kurzbeschreibung
Einen ersten Impuls für unsere audiovisuelle Komposition erhielten wir durch Marcel Duchamps „Akt, eine Treppe herabsteigend“ von 1912. Er reagiert mit seinem Gemälde auf das zu diesem Zeitpunkt noch junge Medium Film und stellt im statischen Medium Tafelbild Bewegung dar, indem er mehrere Phasen einer Bewegung neben- und übereinander legt. Auch wir untersuchen von neuem die alte Illusionsmaschine, die seit den Vorläufern des Kinos mit einer rhythmischen Abfolge von Einzelbildern den Eindruck von Bewegung erzeugt. Dabei ist unsere Vorgehensweise in Bild- und Tonbearbeitung analog. Aus Filmaufnahmen werden Standfotos und Einzelbildsequenzen isoliert, ebenso werden aus den Tonaufnahmen kurze Samples gewonnen, die in irregulärer zeitlicher Abfolge hintereinander gesetzt zu eigentümlichen Rhythmuskompositionen führen.
Die Aufnahmen selbst entstammen einem ganz konkreten Raum: dem alten Forsthaus Habichtshorst – überregional bekannt als Wirkungsstätte des Ensemble L’art pour l’art, zudem Arbeits- und Lebensmittelpunkt der Flötistin des Ensembles, Astrid Schmeling. Die knarzenden Treppen, das akustische Eigenleben des Holzfußbodens der ehemaligen Scheune, die über viele Jahre schon als Konzertsaal dient, sind charakteristische Klangmerkmale jenes Ortes. Sie bilden zusammen mit Flötenklängen, unentwegt absteigenden Tonleitern, brizzelnd-knacksigen Flöte-Treppen-Improvisationen und den hierzu analogen Filmaufnahmen das Grundmaterial für unsere Komposition. Die hieraus isolierten visuellen und akustischen Versatzstücke legen wir in neu gewonnenen Beziehungsnetzen übereinander – unterstützend, kontrastierend, simulierend, synchron/asynchron. Bild und Klang treiben und bremsen das Tempo gemeinsam und im Wechsel. Bewegungen scheinen Klänge zu erzeugen und umgekehrt. Eigentümliche Gesetzmäßigkeiten beherrschen das Zusammenspiel der Ausdrucksmittel, die sich weder den Konventionen der Musik noch denen des Films zuschreiben lassen.
Interprets And Location / Interpreten und Ort
- Robin Hoffmann – Komposition
- Karsten Wiesel – Bildgestaltung
- Astrid Schmeling – Flöte/Treppenklänge
- Stefan Troschka – Tonaufnahmen
- Astrid Schmeling – Produktion
Short Biography / Kurze Biographie
Robin Hoffmann, geb. 1970, komponiert für Solo-Instrumente, Kammermusik, Ensemble, Orchester und vokale Besetzungen; zudem elektroakustische Kompositionen und experimentelle Improvisation; zahlreiche kooperative Projekte, Musik intern und über sie hinaus hin zu transmedialen Mischformen mit Nachbardisziplinen wie Tanz, Theater, Film, bildende Kunst.
Langjährige Unterrichtstätigkeit als Dozent für Komposition/Musiktheorie an diversen Musikhochschulen und Universitäten.
Robin Hoffmanns künstlerische Arbeit ist gleichermaßen geprägt von Kontinuität wie Nicht-Linearität. Stilbruch ist Ehrensache! Die persönliche Handschrift erweist sich im Insistieren auf ein subjektiv empfunden Notwendiges. Je vielfältiger dies ist, umso besser.
Für seine Kompositionen wurde Robin Hoffmann mehrfach ausgezeichnet, u.a. 2005 mit dem Stuttgarter, 2006 mit dem Kranichsteiner Kompositionspreis und zuletzt dem Hans-Werner-Henze-Preis (ehem. Westfälischer Musikpreis) 2019.