Kai Kobayashi: Ein ungesungenes Lied
Short Description / Kurzbeschreibung
Das Stück »Ein ungesungenes Lied« basiert auf einer von der Tonreihensammlung in meiner Serie »Ungesungene Lieder«. In der Serie wird die Beziehung zwischen der Musik selbst und dem in ihr enthaltenen außermusikalischen Kontext hinterfragt.
Das Gefühl der Verzweiflung ist mir unvergesslich, als ich ein Video sah, in dem “Ode an die Freude” der 9. Sinfonie Beethovens anlässlich von Hitlers Geburtstag aufgeführt wurde. Die Tatsache, dass das keinesfalls der Vergangenheit angehört, hat mir den Antrieb gegeben, an der Serie zu arbeiten.
Es ist ein schöner Moment, wenn ein Werk die Hände des Autors verlässt. Wenn ein Werk nur eine Interpretation zulässt, die mit der Absicht des Autors übereinstimmen, dann egal wie brillant die Absicht, könnte das Werk als diktatorisch bezeichnet werden. Aber es ist verhängnisvoll, wenn das Werk durch Ausnutzung der Interpretationsfreiheit in einem anderen Kontext verwendet würde.
In der Schlussszene von Chaplins Film, vor der Masse spricht der Friseur als Ersatz für Diktator “Hynkel”. Obwohl der Inhalt der Rede das Gegenteil von dem eines echten Diktators ist, wird die Masse von der kraftvollen Atmosphäre erfasst und applaudiert wahnsinnig.
Es wird oft gesagt, dass man sich ohne Worte durch Musik einander versteht. Aber die Möglichkeit, ein so breites Spektrum unterschiedlicher Menschen umzufassen, enthält gleichzeitig Unklarheit und birgt Gefahr in sich.
Je mehr ich versuche, die Töne selbst mit dem außermusikalischen Kontext zu verschmelzen, desto stärker wird die musikalische Emotionalität. Ich möchte mit dem Publikum interagieren, ohne die Emotion aufzuzwingen.
Es ging bei der Serie darum, eher einen Abstand zwischen den Materialien zu wahren, damit sie koexistieren zu können. Die Worte, die ich für die Serie ausgewählt habe, haben alle eine große Bedeutung, und ich möchte sie mit dem Publikum teilen. Ich erwarte natürlich nicht, dass wir genau die gleiche Emotion teilen können.
Die Interpretationsfreiheit ist offen.
Interprets And Location / Interpreten und Ort
Kai Kobayashi – Komposition, Film und Performance
Moonsun Shin – Performance
gefilmt in Berlin
Short Biography / Kurze Biographie
Kai Kobayashi, geb. 1991 in Tokio, begann mit sechs Jahren Klavier zu spielen. Sie studierte Komposition an Tokyo College of Music und an Dresdner Musikhochschule.
Derzeit studiert sie im Konzertexamen für Komposition an der HfMT Hamburg sowie als Masterstudentin mit der Vertiefung Experimentelles Musiktheater an der UdK Berlin, gefördert durch das Deutschlandstipendium.
Ihre künstlerische Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Themen, die sie seit Beginn ihrer Karriere als Komponistin selbst berührt, setzt sich in jüngster Zeit in neuen Formen des experimentellen Musiktheaters fort.
Kai wurde als Komponistin für einen Workshop von Brian Ferneyhough beim Darmstädter Ferienkurs 2016 sowie akademie kontemporär in Hamburg 2021 ausgewählt. Ihre Werke wurden unter anderem von MDR Sinfonieorchester (vom Deutschlandfunk gesendet), Symphoniker Hamburg, Ensemble El Perro Andaluz, Ensemble LUX: NM, Ensemble KNM aufgeführt.